Unser Kampf mit dem Finanzamt: Kinderwunschbehandlung

Dame Gerechtigkeit als Symbol

Unser Weg zu Gerechtigkeit - Geschrieben aus der Sicht des Ehemannes  


Unsere Kosten für die Kinderwunschbehandlung wurden vom Finanzamt Friedrichshafen in der Steuererklärung nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG anerkannt. In Summe ging es letztlich über drei Jahre und drei Steuererklärungen um etwa 40.000 Euro an Behandlungskosten und Ausgaben für Medikamente.


Alles begann mit einem Einspruch gegen den Steuerbescheid von 2010, unterstützt durch die auf Kinderwunsch spezialisierte Rechtsanwälte Modl  & Coll. in München. Bereits damals erklärte uns unser Anwalt, dass sich das Verfahren, bis zu einer Entscheidung, ein bis zwei Jahre ziehen könnte. Am Ende wurden daraus sieben Jahre.


Der Reihe nach - was ist passiert?


Barbara und ich waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet. Wir wohnten in Friedrichshafen am Bodensee und kämpften schon vier Jahre für unseren Kinderwunsch. Das Übliche: Mönchspfeffer, Eieruhr, Eisprungstress und schließlich der Schritt in die Kinderwunschklinik.


Unsere Wahl fiel auf das IVF-Zentrum Bregenz in Österreich, das fachlich den besten Eindruck auf uns machte und auch von der Anfahrt am Nächsten lag. Dort führten wir mal mehr, mal weniger ermutigend, mehrere im Endergebnis erfolglose IVF-Kinderwunschbehandlungen durch. Im Verlauf wurde die Zahl der befruchteten Eizellen erhöht. Dies erfolgte gemäß der patientenfreundlichen Interpretation des Embryonenschutzgesetzes nach dem deutschen Mittelweg.


Wie begründete nun das Finanzamt seine Ablehnung, die Kosten als außergewöhnliche Kosten gemäß § 33 EStG anzuerkennen?


Dass wir im Steuerjahr nicht verheiratet waren, wurde nicht als vordergründiger Ablehnungsgrund genannt. Zwei Punkte wurden in der Ablehnung genannt: Die Behandlung wurde nicht in Deutschland durchgeführt. Es wurde weiter unterstellt, dass sich das IVF Zentrum Bregenz nicht an deutsches Recht, sprich den deutschen Mittelweg gehalten hat.


Long Story Short: Wir bekamen Recht!


Der Weg ging über zwei Instanzen, in Summe hat mich das Thema sieben Jahre beschäftigt. Die letzten fünf Jahre waren dann mein Kampf alleine, da Barbara mit der Thematik nichts mehr zu tun haben wollte. Sie hat es gerade geschafft, den Traum vom eigenen Kind zu verabschieden und war bereits auf dem Weg der Neuorientierung. Letztendlich wurde uns 2017 in allen Punkten Recht gegeben. Die juristischen Details und Begründungen können hier nachgelesen werden.


Warum führt man so einen Kampf?


Warum konfrontiert man sich nach dem Abschied vom Kinderwunsch weiterhin mit dieser Vergangenheit? Für mich gab es mehrere Gründe. Ich wollte, dass es andere Kinderwunschler*innen irgendwann mal einfacher haben als wir.


Entscheidend war, dass mein Kinderwunschanwalt mir sagte, dass diesen Kampf niemand mit ihm führen will. Nach dem verständlichen Motto „abhaken und ausblenden“. Da dachte ich mir, dann muss es eben ich machen.


Um diese vier Dinge ging es mir im Detail


  1. Einer medizinisch sinnhaften Auslegung des an einigen Stellen überholten und auch unsinnigen Embryonenschutzgesetzes bzw. die Anwendung des deutschen Mittelwegs, mit dem Ziel, die Anzahl der Hormonbehandlungen für die Frau zu minimieren. Ich konnte indirekt erfahren, wie diese Behandlungen physisch und psychisch an der Frau zehren.

  2. Um die freie Arztwahl, um somit den Stress und Fahrzeiten für Paare zu reduzieren.

  3. Darum, dass auch unverheiratete Paare ihre Kinderwunschkosten geltend machen können. Es gibt viele Gründe, weshalb Paare nicht heiraten, während sie sich in einer Kinderwunschbehandlung befinden. Wir hätten neben dem Stress einer Kinderwunschbehandlung nicht noch parallel eine Hochzeit organisieren können oder wollen.

  4. Natürlich auch um viel Geld. Persönlich natürlich um die Steuerrückerstattung, aber auch um Kosten, die die Allgemeinheit trägt, wenn die Kosten über die Krankenkasse teilabgerechnet werden. Denn unnötig viele Hormonbehandlungen und IVF-Eingriffe verursachen auch unnötige Kosten für die Allgemeinheit.


Ich bin froh, diesen Kampf erfolgreich geführt zu haben und möchte mich an dieser Stelle auch für die tolle Arbeit von unserem Kinderwunsch-Anwalt Hans Modl bedanken, der uns kompetent und unermüdlich unterstützt hat. Er hat unseren Fall genutzt, um seinen eigenen Kampf zu führen und mich ermutigt, diesen Weg mit ihm zu gehen.


In den Gesprächen vor oder nach den Gerichtsterminen mit den Mitarbeitern des Finanzamtes ist mir auch klar geworden, dass es kein Kampf gegen das Finanzamt war, sondern eher ein Kampf mit dem Finanzamt. Alle Beteiligten waren erleichtert, nach sieben oder noch mehr, Rechtssicherheit zu haben. Ich bin überzeugt, dass unser Weg dazu beigetragen hat, die Kinderwunschwelt ein Stück einfacher und gerechter zu machen.


Ergänzende Informationen


  • Urteil vom 17. Mai 2017, VI R 34/15
    Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung nach der ICSI-Methode als außergewöhnliche Belastungen

    Entscheidung Detail | Bundesfinanzhof
     
    Aktenzeichen Az.Vi R 34/15

  • Beschreibung Dreieregel und deutscher Mittelweg:
    Nach Auffassung der Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Mittelweges darf die Fortpflanzungsmedizinerin bzw. der Fortpflanzungsmediziner dagegen aufgrund einer Prognose abschätzen, mit wie vielen Eizellen sie/er abhängig von den individuellen Besonderheiten des Paares einen Befruchtungsversuch unternehmen muss, um so viele entwicklungsfähige Embryonen zu erhalten, wie transferiert werden sollen. Sie bzw. er hat auch hier von Anfang an die Absicht, einen „Überschuss“ an tauglichen Embryonen zu vermeiden.
    Quelle 


FAQ - Ähnliche Fakten


  • Förderung von Kinderwunschbehandlungen in Bayern
    Seit dem 1. November 2020 werden Kinderwunschbehandlungen in Bayern gefördert. Damit werden Paare bei den Kosten von Kinderwunschbehandlungen finanziell entlastet. Gefördert werden Kosten von Kinderwunschbehandlungen nach Art der In-Vitro-Fertilisation (IVF) und der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) für den ersten bis vierten Behandlungszyklus. Dabei dürfen ausschließlich Ei- und Samenzellen des antragstellenden Paares verwendet werden.

    Quelle

  • Wieviele Versuche/Zyklen sind Förderungsfähig? 
    Dir kann ein Zuschuss für den 1. bis 4. Behandlungszyklus einer IVF- oder ICSI-Behandlung bewilligt werden. Bitte beachte, dass jeder Zyklus einzeln zu beantragen ist. Erst wenn ein Versuch erfolglos war, kannst du den nächsten Zyklus beantragen. Bitte beachte, dass nur ein Behandlungszyklus pro Antrag gefördert wird! Ein nicht vom Freistaat Bayern geförderter Behandlungszyklus zählt dabei mit. Jeder Zyklus muss einzeln beantragt werden. Ein evtl. vorheriger Versuch muss abgeschlossen sein und ein Ergebnis vorliegen. Sofern eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten ist, ohne dass es zur Geburt eines Kindes gekommen ist, wird dieser Behandlungsversuch nicht angerechnet. Ein Wiederholungsversuch ist dann möglich. Nach der Geburt eines Kindes können erneut die ersten vier Behandlungszyklen einer weiteren Kinderwunschbehandlung gefördert werden, wenn die zur Geburt des Kindes führende Schwangerschaft ebenso innerhalb der vier förderfähigen Behandlungszyklen eingetreten ist.

  • Förder-Check
    Finde anhand von elf Fragen heraus, ob eine Möglichkeit einer zusätzlichen finanziellen Unterstützung in deinem Bundesland bestehen könnte.

    Hier Herausfinden

Suchst du jemanden, mit dem du dich austauschen kannst?

Ich habe all diese Themen Rund um den Kinderwunsch selbst durchlebt und helfe nun Paaren und Frauen dabei, sich in diesen Situationen unterstützt und nicht alleine zu fühlen.

Share by: